Fördern

Ukrainischer Verein

Hilfe und

Heimat

Der Ukrainische Verein Niedersachsen ist ein Knotenpunkt für Menschen aus der Ukraine – und eine beeindruckende Gemeinschaft.

Die erste ukrainische Bibliothek und die erste ukrainische Radiosendung in Hannover, der erste ukrainische Kinderchor in Niedersachsen. Besuche von Ministerpräsident Stephan Weil, Oberbürgermeister Belit Onay und Botschafter Oleksij Makejew – die Liste der Initiativen sowie Gäste und Partner:innen ist lang.

Der Ukrainische Verein Niedersachsen, kurz: UVN e. V., bietet Menschen, die aus der Ukraine nach Niedersachen kommen, Hilfe und ein Zuhause. Und er hilft im Kriegsgebiet. Für sein einzigartiges Engagement erfährt er viel Unterstützung.

Das Spendenzentrum in Bornum:

Mit der Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 änderte sich alles – auch für den bis dahin kleinen hannoverschen Verein. Seit seiner Gründung 2015 hatte er etwa dreißig Mitglieder und brauchte keine eigenen Räume. Ein Zusammenschluss von Ukrainer:innen in Niedersachsen, die zum Beispiel gemeinsam Ostern und Neujahr nach vertrauten Bräuchen feierten. Aber der Verein leistete auch bereits auf der Krim humanitäre Hilfe.

Ein großer Vorteil: Die Strukturen sind schon angelegt, als der Krieg beginnt. „Wir kannten uns seit Jahren, hatten ein gutes Netzwerk und konnten direkt loslegen“, erinnert sich Oksana Janzen. Die erste Vorsitzende des UVN e. V. schläft noch, als am frühen Morgen des 24. Februar ihre Schwester aus der Ukraine anruft. Janzen organisiert sofort eine Demonstration am Kröpcke mitten in Hannover, noch am selben Tag, sammelt Spenden. Wenig später kommen die ersten Menschen aus dem Krieg nach Hannover. So fing alles an.

Sport und Bildung: Der Ukrainische Verein Niedersachsen ist zur Hauptanlaufstelle für Geflüchtete aus der Ukraine geworden. Pro Woche kommen teils mehr als 600 Personen.

Ab Ende Februar 2022 sind alle im Verein ehrenamtliche Krisenmanager. „Wir waren zu Beginn Tag und Nacht im Einsatz, konnten nicht arbeiten, kaum schlafen.“ Alle, die Deutsch und Ukrainisch sprechen konnten, halfen. Zuerst ging es um Beratung, vor allem um Unterstützung in bürokratischen Angelegenheiten, Hilfe mit dem Nötigsten. Dann kamen der ukrainisch-sprachige Telefondienst, die Versorgung der Menschen, die ohne Geld kamen, mit Lebensmittelpaketen, die Hilfe bei der Wohnungssuche, der Dolmetscherdienst, die Sprachkurse und vieles mehr. So kam eines zum anderen. „Ein Wunder, wie groß unser Verein heute ist und was wir gemeinsam mit Niedersächsinnen und Niedersachsen bewirken“, sagt Janzen selbst.

Vertraute Räume

In Hannovers Podbielskistraße hat die Zeitarbeitsfirma ZAG dem UVN e. V. kostenlos Räume zur Verfügung gestellt. 600 Quadratmeter. Hier wurden zunächst Spenden gesammelt und verteilt, bis es dafür eigene Lagerhallen gab und das Humanitäre Zentrum in Bornum entstand, das auch auf der eigenen Website hz.uvnev.de Hilfe durch Spenden organisiert. Die Aufteilung in Spendenzentrum im Stadtteil Bornum sowie Bildungs- und Kulturzentrum im Stadtteil Bothfeld ist sinnvoll.

Das ukrainische Bildungs- und Kulturzentrum liegt an einer der wichtigsten Ein- und Ausfallstraßen der Stadt. So ist es gut zu erreichen, auch per S-Bahn. Sprachkurse führen mit 190 Teilnehmer:innen jede Woche die Beliebtheitsskala der Angebote an, gefolgt von 100 Nutzer:innen der Sportangebote und über 90 Workshop-Besucher:innen; 50 Menschen nutzen die ukrainische Bibliothek. Dort stehen auch ein Klavier und weitere Instrumente für Musiker:innen.

Zwölf Ehrenamtliche und zwanzig Büroangestellte organisieren alles – eigentlich rund um die Uhr. „Die eigenen Räume des UVN e. V. sind für entwurzelte Meschen ganz wichtig“, sagt Dr. Olga Artemova, Veranstaltungsmanagerin und Büroleiterin. „Sie tragen uns.“ Viele Menschen leben derzeit in kargen, engen Unterkünften und können hier durchatmen.

„Ein Wunder, wie groß unser Verein heute ist und was wir gemeinsam bewirken.“

„Unsere psychologischen Projekte werden sehr gut angenommen“, berichtet Artemova. Seit dem ersten Kriegstag bietet der UVN e. V. Einzelberatungen – persönlich, online und telefonisch. Und es gibt Gruppenangebote: Empowerment, Kunsttherapie und Stressbewältigung.

Viele Menschen sind traumatisiert. Manche können kaum atmen oder nicht aufhören zu weinen, wenn sie über das Erlebte sprechen. Zunächst waren alle Psycholog:innen ehrenamtlich engagiert, jetzt arbeitet der UVN e. V. mit zwölf Therapeut:innen auf Honorarbasis. Für Kinder kooperiert der Verein mit dem renommierten Winnicott Institut und dem Deutschen Roten Kreuz, für Erwachsene mit dem landesweiten Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge sowie der Diakovere Hannover. Wie überall geht es um aktive Netzwerke aus Expert:innen und Ehrenamtlichen, um Menschen bestmöglich zu unterstützen.

Der Verein als Zuhause: Olga Artemova (links) und Oksana Janzen

Ort der Normalität

Jede:r achtet auf jede:n. Im Spielzimmer sind die Kleinen wie in einem Minikindergarten versorgt, während die Großen im Sprachkurs Deutsch lernen. Für Kinder gibt es regelmäßige Angebote wie Malkurs, Kinderchor, Turnen, Klavierunterricht, die Kampfkunst Wing Chun. Jugendliche haben unter anderem einen Jugendclub, Sprachkurse, Theatergruppen, Choreografiekurse und Squashzeiten. Alles von Ukrainer:innen für Ukrainer:innen. Die Erwachsenen machen Yoga, Zumba, Pilates, Selbstverteidigung, Mal-, Deutsch- und Englischkurse. Die Treffen werden ehrenamtlich geleitet. Wesentlich im Angebot des UVN e. V. ist auch die Berufsorientierung. „Wir kooperieren sehr gut mit dem Jobcenter“, berichtet Artemova. Denn die Menschen möchten arbeiten.

Um Strukturen zu etablieren, die eine so intensive, gut vernetzte Vereinsarbeit erlauben, fördert die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung gemeinsam mit der Klosterkammer Hannover mit 300.000 Euro befristete Personalstellen.

Kontinuität gibt Halt: Für Kinder gibt es Bücher in ukrainischer Sprache.

Aufgaben trösten

Zoriana Syniuk ist Bildungsreferentin beim UVN e. V. Die Ukrainerin entwickelt Angebote, organisiert Veranstaltungen, sammelt Spenden. Syniuk hat zum Beispiel Sprachcafés im Verein aufgebaut. „Sie sind kein Muss, sondern Genuss“, sagt sie. Außerdem betreut Syniuk Instagram und Facebook mit vielen Tausend Follower:innen für den UVN e. V.

Seit Kriegsbeginn hat der Verein sieben Demonstrationen mit über 8.000 Teilnehmenden organisiert, sechs Konzerte mit fast 2.000 Besucher:innen und elf Festivals mit über 7.600 Menschen, vier Filmvorführungen und fünf Theaterstücke – das Angebot wächst ständig.

Ukrainer:innen möchten sich einbringen und ihrerseits unterstützen. Der UVN e. V. führt eine „Liste der Fähigkeiten“. So kann sich jede:r engagieren. „Wir sind alle aktiv, Aufgaben sind wichtig und trösten“, erzählt Nikolai Janzen. Der Ehemann von Oksana ist Kassenwart und jenseits seiner Arbeit als Architekt fast immer hier, meistens mit Tochter Mila. Zu tun gibt es genug. Und alle genießen Gemeinschaft und Austausch.

„Der Verein ist unser Zuhause“, sagt Nikolai Janzen stellvertretend für viele Ukrainer:innen in Hannover. „Die Menschen kommen auch wegen der Atmosphäre. Sie können sein, wie sie sind. Um das zu verstehen, muss man Ähnliches erlebt haben.“ Es gehe oft um Vertrautheit und das Teilen von Sorgen. „Wir haben einen Ort der Normalität geschaffen.“

Aber die Aufgaben bleiben groß, denn die Ukrainer:innen können an keinen Ort zurückgehen. Es tobt ein brutaler Krieg. Und so entwickelt sich der UVN e. V. mit seinen Menschen immer weiter. „Ich bin stolz auf meine Heimat Hannover“, sagt Nikolai Janzen, „wir erfahren überwältigende Unterstützung.“ ◼