Fördern

Islandponys

Fest

im Sattel

Bei der Deutschen Jugend-Islandpferdemeisterschaft (DJIM) geht es um Pokale – und um aufrichtige Freundschaft. Ein Reiter, eine Bundestrainerin und ein isländischer Verbandsvertreter erzählen von der Zukunft ihres Sports.

Ríðum, ríðum, ­rekum yfir ­sandinn, ­rennur sól á bak við Arnarfell …“ Durch die Lautsprecher am Rande der Ovalbahn des Island­pferde­hofs Streekermoor auf dem Gut Sandheide in Hatten bei Oldenburg tönt das traditionelle isländische Reiterlied „Á Sprengisandi“. „Wir reiten, reiten, jagen über den Sand. Die Sonne sinkt hinter dem Arnarfell …“ Mit den Flaggen ihrer Bundesländer in der Hand reiten sechs Jugendliche eine Ehrenrunde. Sie haben gerade ihre Prüfung in der Sondergangart Tölt hinter sich.

Unter einem Pavillon auf dem angrenzenden Rasen steht Suzan Beuk und beobachtet das Turnier­geschehen. Eigentlich wäre die Trainerin des Bundes­kaders des Islandpferde-Reiter- und Züchterverbands (IPZV) umgeben von 2.000 Zuschauerinnen und Zuschauern. Wegen Corona sind es lediglich 500 Menschen, die im September 2020 an fünf Turniertagen mit den 250 Reiterinnen und Reitern mitfiebern.

Für die Veranstalter und den ausrichtenden Verband IPZV eine wirtschaftliche Herausforderung. „Dass die DJIM trotz Einschränkungen durch die Corona-Pandemie überhaupt stattfinden konnte, haben wir der Lotto-Sport-Stiftung zu verdanken“, sagt Suzan Beuk. Auf 10.000 Euro belief sich die Förderung. Dieses Geld half, um Fahnenmasten zu kaufen und die Passbahn auszubessern – als langfristiges Investment auch für künftige Turniere.

Tägliches Training

Zwischen den Stallungen des Islandpferdehofs Streekermoor und der Ovalbahn sind Pavillons mit kulinarischem Angebot aufgebaut. Daneben verkauft eine ältere Frau selbst gestrickte Lopapeysas; auch einige Jugendliche tragen diese warmen Islandpullover aus Schafwolle. Als es zu regnen beginnt, zieht eine Zuschauerin ihre Jacke über. „Icelandic Horses Forever“ steht darauf in geschwungener Schrift. Dass der Islandpferdesport auch Lebensart ist, zeigt ein Blick auf das Geschehen abseits der Wettkampfbahn.

Auch Suzan Beuk, begleitet von ihrer Norwich-Terrier-Hündin Jette, trägt einen Lopapeysa unter ihrer schwarzen Jacke. Während der fünf Turniertage wirft sie einen besonders aufmerksamen Blick auf die Leistungen der 13 Jugendlichen, die zum IPZV-Bundeskader gehören.

Einer von ihnen ist Noah Dedecek aus dem bayerischen Hagendorf. Mit seinen beiden Pferden Boggi und Baldur tritt der 17-Jährige auf seiner inzwischen vierten DJIM in unterschiedlichen Prüfungen an. Neben Schritt, Trab und Galopp werden auch die Sondergangarten Tölt und Pass abgefragt. Das Passreiten mit seinem Pferd Baldur, das alle fünf Gangarten beherrscht, mag Noah Dedecek besonders: „Ich kon­zen­triere mich auf einen festen Punkt und rausche über die Bahn. In diesem Moment bin ich so fokussiert, dass ich alles um mich herum vergesse.“

Friends and Family: Statt wie bisher 2.000 sind im September 2020 lediglich 500 Zuschauerinnen und Zuschauer erlaubt.

Mit seiner Vorbereitung auf die DJIM 2020 begann er direkt nach der vorherigen Meisterschaft. „Die kontinuierliche Arbeit zwischen Reiter und Pferd ist sehr wichtig“, sagt Noah Dedecek, der täglich trainiert. In seinem Heimatdorf unterrichtet ihn seine Mutter Susi Dedecek, die einen Islandpferdehof betreibt, selbst reitet und Trainerin ist. Darüber hinaus trainiert er mit Bayernkader-Trainer Uli Reber. Mit Suzan Beuk tauscht er sich per Video und Telefon aus, zweimal im Jahr gibt es ein Bundeskadertraining.

Wichtige Jugendarbeit

Suzan Beuk hat Noah Dedecek nach der DJIM 2019 in den Deutschen Bundeskader Junger Reiter aufgenommen und beobachtet schon jetzt eine positive Entwicklung. „Noah ist ein sehr engagierter Reiter. Er ist zielstrebig, hat viel reiterliches Talent und eine sehr gute Einstellung gegenüber seinen Pferden“, so Beuk, die seit sechs Jahren IPZV-Bundestrainerin ist. Sie betont: „Talentierte junge Reiterinnen und Reiter sind die Zukunft des Islandpferdesports, auch deshalb ist die Jugendförderung enorm wichtig.“

Wie wichtig, wird auch vor dem Hintergrund ihres eigenen sportlichen Werdegangs deutlich. Mit fünf Jahren hatte Beuk ihr erstes Pflegepony. Mit elf gab sie Erwachsenen Reit­unter­richt. Mit sechzehn trainierte sie jugendliche Reiter für die DJIM. Mit Ende zwanzig startetet sie selbst in den Leistungssport. Sie ritt im IPZV-Bundeskader auf Weltmeisterschaften und machte sich nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau und einem BWL-Studium als Trainerin und Züchterin für Islandpferde selbstständig. An der DJIM, die es seit 1978 gibt, nahm sie in den 80er-Jahren selbst einmal teil.

Was für Beuk jedoch immer am wichtigsten war: „Es war nie mein größtes Ziel, besonders viele Turniere zu gewinnen. Ich denke nicht in Meisterschaften. Ich habe Pferde und Reiterinnen immer so ausgebildet, dass sie im Sport als Partner agieren.“ Eine Einstellung, die sie sich auch als Bundestrainerin bewahrt hat. „Ich möchte jungen Menschen eine gute Beziehung zu ihrem Pferd vermitteln. Denn das führt im Leistungssport letztendlich auch zum Erfolg.“

Noah Dedecek aus dem bayerischen Hagendorf ist bereits zum viertel Mal bei der DJIM dabei.

Zwischen Pferd und Reiter

Auf dem Außengelände des 21 Hektar umfassenden Guts Sandheide stehen die Wohnwagen und Boxen der Teilnehmenden und ihrer Pferde. Dort sind auch Noah Dedeceks Isländer Boggi und Baldur untergebracht. Mit seiner Mutter Susi sattelt und trenst er Baldur für das abendliche Training auf. Bevor es auf den Abreitplatz geht, sprüht der 17-Jährige seinem Pferd Mähnenspray ins Haar. „Damit es beim Kämmen nicht so ziept.“ Für ihn ist das Islandpferdereiten mehr als nur ein Sport. „Das Besondere ist für mich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Beim Fußball oder Skifahren geht es nur um mich selbst oder um meine Mannschaft. Beim Reiten habe ich ein Lebewesen an meiner Seite.“ Noah ist mit Pferden aufgewachsen, die Beziehung zu ihnen empfindet er als enge Freundschaft.

In Beziehung: IPZV-Bundestrainerin Suzan Beuk geht es um die gute Bindung zwischen Pferden und Reitenden.

Kleinpferd mit Geschichte

Am Rande der Passbahn, einer 250 Meter langen, geraden Strecke, auf der Islandpferde im Fünfgang bei bis zu 50 Stundenkilometern ihre besondere Stärke zeigen, steht IPZV-Bundesgeschäftsstellenleiter Guðbjörn Jónsson, beobachtet die startenden Turnierpferde und tauscht sich mit den jungen Sportlerinnen und Sportlern aus. Jónsson wuchs mit Islandpferden auf.

„Auf dem Hof meiner Großeltern in der Nähe von Þykkvibær im Süden Islands gab es einen großen Stall und Wiesen, auf denen die Pferde im Sommer und im Winter standen“, erinnert sich Jónsson. „Früher war das robuste und wetterfeste Islandpferd auch ein Transportmittel. Die Leute stiegen aufs Pferd, um ihre Verwandten zu besuchen. Dieses Tier ist ein wichtiger Teil unserer Kultur und gehört einfach zum Leben dazu.“

Auch deshalb, glaubt Jónsson, sind in seiner Heimat viel mehr Jungen und Männer im Islandpferdesport vertreten als in Deutschland. Das will Jónsson ändern. Seine Vision: künftig mehr junge Männer wie Noah Dedecek für den Islandpferdesport zu begeistern. Gemeinsam mit unterschiedlichen Akteuren arbeitet Jónsson an Konzepten für Kurse und Projekte, die einen Fokus auf Aktionen und Abenteuer legen.

Alle im Blick: Der isländische IPZV-Bundesgeschäftsstellenleiter Guðbjörn Jónsson will mehr Menschen für seinen Sport begeistern.

Sportliche Zukunft

Wenn Noah Dedecek an seine sportliche Zukunft denkt, ist ihm eines klar: „Ich will dem Sport auf jeden Fall treu bleiben.“ Auch nach seinem Abitur in diesem Jahr. „Der Sport gehört einfach zu meinem Leben. Ohne Pferde könnte ich es mir gerade nicht vorstellen.“

Sein großer Traum ist es, innerhalb der nächsten vier Jahre an der Juniorenweltmeisterschaft teilzunehmen. Ein Ziel, das in Reichweite zu sein scheint: Bei der DJIM 2020 wird Noah Dedecek Vierter. Bei der deutschen Island­pferdemeister­schaft der Erwachsenen erzielt er als Nachwuchstalent ebenfalls den vierten Platz. Suzan Beuk sagt: „Ich will die Jugendlichen so begleiten und ausbilden, dass sie möglichst nahtlos im Erwachsenensport ankommen.“

Ein Weg, auf dem sich Noah Dedecek bereits befindet.