Fördern

Basketball

Starke Kids

am Ball

In der NBA, der nordamerikanischen Profiliga, spielen die besten Basketballer der Welt. nba im niedersächsischen Bad Essen steht ebenfalls für attraktiven Sport – und für Haltung. nba heißt hier: never be average. Sei niemals Durchschnitt.

Vormittags mentales Coaching, nachmittags Basketballtraining – in den Sommerferien erfahren über sechzig junge Menschen aus mehreren Nationen, was in ihnen steckt. Sie wohnen fünf Tage lang gemeinsam im Haus Sonnenwinkel, einer Familien­ferien­stätte auf dem Essenerberg nahe Osnabrück.

Gut fürs Ego: Der Persönlichkeitscoach und deutsche Meister im Taekwondo Marzel Heitmeyer.

Morgens mit Marzel

„Hallo Angst, schön, dass du da bist“ – Marzel Heitmeyer begrüßt pünktlich um 9 Uhr die Hälfte der Gruppe im Seminarraum, die anderen trainieren zeitgleich in den Turnhallen. Zwei Schüler übersetzen nebenbei ins Französische, das läuft alles ganz selbstverständlich für die vier Jungs, die aus Bad Essens französischer Partnergemeinde Bolbec in der Normandie dabei sind.

Schlaksige Teenager, riesige Füße, Tennissocken in Adiletten – der Charme eines Jugendcamps. Viele der Kids sind größer als ihr Coach, ihre Stimmen oft sonores Rauschen. Die meisten sind 14 oder 15 Jahre alt. Die Jahrgänge 2009 bis 2002 sind dieses Jahr dabei.

Marzel ist ihr mentaler Coach: Taek­won­do-Großmeister, fünfter Gurt in dieser koreanischen Kampfkunst, Lizenz und Pokale als Kampfrichter, Heilpraktiker für Psychotherapie, Fachinformatiker. Wer hätte gedacht, welche Geschichte dieser Mann erzählt?

Marzel – seit zwanzig Jahren Abteilungsleiter im TuS Bad Essen, deutscher Meister im Taekwondo – spricht klar und ruhig zu den jungen Sportlerinnen und Sportlern. Ebenso achtsam folgen sie seinen Worten. Kein Tuscheln, Kippeln, Zappeln, Kritzeln – alle sind ganz da. „Angst ist mein Lieblingsthema“, sagt Marzel. „Angst heißt: Du hast die Wahl. Totstellen ist meist nicht klug. Zwischen Flucht und Kampf kannst du dich entscheiden. Was willst du?“

Gewinnergeist wecken

Erste Aufgabe: Motiviere mich. Rollenspiel in vorgegebener Zeit, ohne weitere Anleitung. Souverän präsentieren über dreißig junge Sportlerinnen und Sportler in kleinen Teams ihre Ideen.

„Volle Konzentration, seid wach“, sagt Marzel. Und das sind sie. 64 Kinder und Jugendliche, darunter 21 Mädchen und junge Frauen, nehmen dieses Jahr teil. Anmeldungen gab es über achtzig. Lars Herrmann, Initiator und Organisator der niedersächsischen nba, tut es leid, einigen Kids musste er absagen. Dabei hat er schon alles in die Wege geleitet, um die eigentlich fünfzig Plätze auszuweiten.

Nach der Übung bittet Marzel um Eindrücke zum Vortrag der Teams: „Wohlbegründet loben und konstruktiv kritisieren.“ Wieder kleben über dreißig Kids an seinen Lippen. Erkenntnis: Es geht um fighten wollen und gewinnen können, Emotionen wecken, positiv einstimmen.

Vater der nba

Lars Herrmann ist Herz und Kopf dieser Basketballtage in Bad Essen. Er selbst hat spät, er war 18, mit dem Basketball begonnen. Heute ist er Assistenztrainer der Junior Panthers Osnabrück in der U‑18-Bundesliga der Mädchen.

Alles hier basiert auf seinem sagenhaften Netzwerk. Hauptberuflich ist der 32-Jährige Pressereferent beim Verbund Sozialer Dienste, einem Unternehmensverbund in der Kinder- und Jugendhilfe, hat einen guten Draht zur „Nordwest-Zeitung“, wo er volontierte. Der zweifache Vater nimmt sich für jedes Camp Urlaub. Gerade ist er in Elternzeit, zu Hause aber in dieser Woche nicht.

„Es ist immer harmonisch. Wir hatten nie Disziplinstress. Die Nächte sind ruhig, denn die Teenies wollen am nächsten Tag vollen Einsatz zeigen“, sagt Lars. Keine Frage. Viele sind zum dritten oder vierten Mal dabei, seit 2016 fördert die Lotto-Sport-Stiftung jedes Jahr das Camp. „Die Eltern finden gut, dass wir nicht nur Basketball spielen.“

Selbstbewusst zum Ziel

„Ein Mensch hört, bis er 18 ist, 148.000-mal: Du schaffst es nicht. Wir trainieren zu sagen: Ich schaffe es trotzdem“, erklärt Marzel.

Morgens, 10 Uhr, in den Sommer­ferien, die nächste Aufgabe: „Wer hat was Geiles erreicht in den letzten Jahren? Steht auf und sagt es.“ Den Anfang macht Kubindia aus Aurich: „Vor zwei Jahren habe ich in den USA American Football gespielt, keiner hat an mich geglaubt. Jetzt war ich beim Sichtungstraining für die deutsche Nationalmannschaft.“ Viele Meldungen folgen, die jungen Leute benennen ihre persönlichen Erfolge.

Marzel fasst zusammen: „Du darfst aufstehen und sagen: Ja, ich kann das. Es hat mit Mut zu tun. Erfolgreiche Menschen führen ihren Erfolg auf eigene Leistung zurück. Es geht um Selbstwirksamkeit und positives Denken. Misserfolge erklären sie mit äußeren Umständen, Erfolge beziehen sie auf sich selbst.“

Dritte Aufgabe, volle Aufmerksamkeit: Wer hat Ziele im Leben? „Ich will in Amerika studieren.“ Der Wunsch vieler Basketballer und Basketballerinnen. Und Marzels einprägsames Fazit: „Limitiert euch nicht! Denn: Wenn man sein Ziel größer macht, dann kann man es trotz Hindernissen sehen.“

Der Vormittag wird immer intensiver: „Sag nie: Ich kann das nicht. Sag: Ich kann das noch nicht!“ Die Sportlerinnen und Sportler lauschen Marzels Worten, als wäre er ein Filmstar.

Letzte Übung: Powergeste. „Wir programmieren eure linke Faust auf Erfolg. Bedeutung: Ich gewinne! Ich bin mutig! Ihr dürft das machen. Stell dir einen Supermoment vor. Ihr könnt die Siegerpose ausprobieren.“

Nachmittags am Korb

„Shoot! Niiiccce.“ Ansteckende Energie. Geruch der Turnhalle, Prellen der Bälle, Quietschen der Sneaker. Jungs und Mädchen trainieren gemeinsam. Die Jüngeren mit den Älteren. Auf Englisch und Deutsch. „Catch! One, two“ – Torrell Martin, amerikanischer Bilderbuchbasketballer, trainiert die Kids am Ball. Torrell schafft ein Gefühl, als sei er individuell für jede und jeden da, und kreiert dabei eine unglaubliche Gemeinschaft.

Magic. Die amerikanischen Profis können Spirit: „Yes! Alright“ – mit breitem Akzent und noch breiterem Lachen. Immer in die Augen sehen. Man muss kein basketballverrückter Teenager sein, um sich anstecken zu lassen von der Hingabe zum Sport, zum Miteinander. Unmöglich, hier keinen Ball zu drehen, zu prellen, zu werfen.

Trainiert wird parallel in drei großen Hallen. In einer spielen die Kids bewusst ohne Trainer, keiner macht Blödsinn, alle sind fasziniert und aufmerksam: „Catch it. Take the shot. Jump. Let’s go!“

Teenies ohne Quatsch

„Das eine wäre nicht so gut ohne das andere“, sagt Christoph, 15 Jahre, einer von sechs Jungs aus Osterholz-Scharmbeck. Er ist zum dritten Mal hier und liebt die Verbindung physischer und psychischer Entwicklung. Der 16-jährige Bjarne aus Lüneburg spielt seit elf Jahren Basketball, jetzt in Hamburg bei den Hittfeld Sharks, ist zum zweiten Mal dabei. „Das amerikanische Training bringt mich voran, es gibt mehr Spielsituationen. Ich habe erst gezweifelt, aber das Selbstbewusstseinstraining ist wahnsinnig effektiv.“ Der 17-jährige Omar aus Bad Essen ergänzt: „Am besten gefallen mir die Menschen hier.“ Mehr geht nicht.

Auf den Punkt, ohne Albernheit. Beeindruckend. Mattis, 13 Jahre alt, aus Lübbecke in Nordrhein-Westfalen, mag das Rahmenprogramm: „Ich freue mich auf den Rollstuhlbasketball und das Krafttraining im Schwimmbad.“ Und obwohl er einige Leute hier kennt, habe er sich keinen Zimmernachbarn gewünscht: „Es ist so gut, wir lernen alle voneinander.“ Der zehnjährige Constantin ist der jüngste Teilnehmer und voll integriert, er lebt in den USA, wo er Basketball spielt, und verbringt den Sommer bei seinen Großeltern in Osnabrück.

An diesen Tagen in Bad Essen geht es um mehr als Basketball. Der Fokus liegt auf der Persönlichkeitsentwicklung – viele kommen auch deshalb so gern.