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Auf in den Kampf! Der TSV Buchholz 08 richtete die 50. Deutsche Veteranen-Fecht-Meisterschaft aus – ermöglicht durch den Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer:innen auf und neben den Kampfbahnen. Eine Veranstaltung, die wunderbar zeigt, dass man auch im Rentenalter nicht automatisch zum alten Eisen zählen muss und Säbelrasseln auch mit über achtzig noch richtig Spaß machen kann.

Die 50. Deutsche Veteranen-Fecht-Meisterschaft ist sehr gut besucht: Wenn sie nicht gerade selbst fechten, gucken die über 300 Teilnehmer:innen gern zu.

Es klackt, es quietscht, es piept, und dann schreit einer „Jawoll!“, reißt sich die Maske vom Gesicht und ist eine Runde weiter. So klingt die deutsche Meisterschaft im Fechten für Menschen über vierzig Jahre. Die ganze Sporthalle in Buchholz ist voll von diesen Geräuschen, den aufeinander klappernden Degen, den quietschenden Schuhen, den Tönen der Treffermelder, dem Jubel, wenn der nächste Körpertreffer gelandet ist.

Der TSV Buchholz 08 ist an diesem ersten Wochenende im April 2024 Ausrichter der 50. Deutschen Veteranen-Fecht-Meisterschaft. Anders als in vielen anderen Sportarten gibt es beim Fechten nach der aktiven Zeit, die laut Reglement bis vierzig Jahre geht, sehr viele auch hochdekorierte Sportler:innen, die sich bis ins hohe Alter regelmäßig messen. Die Jubiläumsmeisterschaft erfährt viel Zuspruch. Mehr als 300 Teilnehmende aus allen 16 Bundes­ländern sind dabei. Dafür sind in der großen Halle 16 mit blauem Teppich ausgelegte Fechtbahnen nebeneinander aufgebaut. Und das Feld der Startenden hat es tatsächlich in sich: Die Titel bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften und nationalen Wettkämpfen lassen sich jedenfalls kaum zusammenzählen.

„Ein schöner Sport“ – warum Kathrin Müller seit über zwanzig Jahren ficht

Ein Gruß zum Jubiläum

Bis zur Corona-Pandemie wurde das Veteranenfechten jedes Jahr in Bad Dürkheim ausgetragen. Am ersten Wochenende im April steht nun die 50. Ausgabe dieser besonderen Meisterschaft an. Dazu passt, dass die bisherige Ausrichterstadt aus der Pfalz in diesem Jahr ein festliches Grußwort der Bürgermeisterin und einige Dutzend Flaschen Wein geschickt hat, die man in der Cafeteria kaufen kann. Und zum Anstoßen gibt es tatsächlich viele Gründe, schließlich werden an dem Wochenende in gleich 24 Fechtwettbewerben Sieger:innen gekürt. Am Samstag, dem ersten Turniertag, wird mit Florett und Säbel gefochten, am Sonntag steht Degen auf dem Programm in der Sechsfeld-Sporthalle im Schulzentrum am Kattenberge in Buchholz. Ausgetragen werden Wettbewerbe in jeweils vier Altersklassen pro Waffe: Florett, Säbel und Degen. Die Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung hat die Veranstaltung mit 6.000 Euro unterstützt.

Hanns Prechtl hat schon seinen dritten Fechtpass. Und der ist bald voll. Kein Wunder, der Mann mit den markanten weißen Augenbrauen und dem weißen Schnauzbart kam zum Fechten, als er vierzehn Jahre alt war. Der Vater hatte ihn geschickt. In den 66 Jahren seit dem ersten Ausprobieren hat er so manches gewonnen. Sein Highlight? „Weltmeister 2022, das war schon was“, sagt Prechtl, der für den Nürnberger FC ficht. Hanns Prechtl hat sieben Enkelkinder, drei von ihnen fechten.

Das alles erzählt er kurz nach dem Ausscheiden mit dem Degen, seine Stimmung ist trotzdem gut. Prechtl lächelt, erschöpft vom Wettkampf, aber zufrieden. Das Fechten gibt ihm einiges, sagt er. Man kennt sich, man trifft sich immer wieder, man bleibt fit. Der Mann, der bald 81 wird und so gelassen auf der hölzernen Bank sitzt, sagt noch, dass man beim Fechten auch Angestautes rauslassen könne. „Jeder hat Wut in sich“, sagt Prechtl. Und beim Fechten könne er diese Wut gehen lassen.

Ficht seit 66 Jahren: Hanns Prechtl freut sich, alte Bekannte wiederzusehen.

Carolin und Torsten Marheineke teilen die gleiche Leidenschaft fürs Fechten. So wie viele Paare bei diesem Turnier.

Fechten als Familiensport

Ein paar Meter weiter, an Bahn 13, steht Carolin Marheineke. Angespannt schaut die Frau mit den kurzen blonden Haaren auf den schmalen blauen Teppich. Darauf ficht gerade ihr Mann Torsten, Jahrgang 1965, in der Altersklasse V50. Die beiden wohnen in Karlsruhe, treten für Heidelberg an. Kennengelernt haben sie sich, natürlich, beim Fechten. Erst führt Torsten Marheineke deutlich, dann wird es zum Ende des zweiten Satzes noch einmal knapp. Seine Frau Carolin, die Anfang der 1990er-Jahre mit der Mannschaft den Europacup gewonnen hat, feuert ihn an und gibt Tipps. Dann ist es geschafft der zehnte Treffer, Torsten Marheineke ist eine Runde weiter. Carolin reicht ihm ­Handtuch und Wasserflasche, am Ende wird ihr Mann den dritten Platz in der Altersklasse belegen. Am Nachmittag, beim Start der Frauen, tauschen die beiden ihre Rollen. Torsten Marheineke unterstützt seine Frau, die am Ende ebenfalls Dritte in der Altersklasse der über Fünfzigjährigen wird.

„Das ist eine ganz besondere Atmosphäre.“

Auch für die Kampfrichter ist es eine besondere Veranstaltung. Fast alle sind selbst aktive Fechter:innen. Manchem älteren Semester müssen sie vielleicht noch einmal eine Regeländerung in Erinnerung rufen, erzählt Benjamin Denzer, stellvertretender Vorsitzer im Kampfrichterausschuss des Deutschen Fechter-Bundes (DFB). Das gilt nicht für die beiden, die neben ihm gerade das Finale der über Siebzigjährigen austragen. Volker Fischer ist eine der Fechtsportikonen, die nach Buchholz gekommen sind. Er gehörte zur deutschen Degenmannschaft, die bei den Olympischen Sommerspielen 1984 in Los Angeles die Goldmedaille im Teamwettbewerb gewann. Bei diesem Turnier in Niedersachsen, vierzig Jahre nach dem Olympiasieg, schlägt er Werner Hensel, der für den MTV Braunschweig an den Start geht. Am Rande gibt es viel Bewunderung, nicht nur für diese beiden Athleten. „Was in der Beinarbeit womöglich etwas weniger geworden ist, machen die mit Erfahrung, mit purer Klasse wett. Wahnsinn“, sagt Denzer.

Dokumentiert die gesamte Laufbahn im Fechten: Ohne Pass darf man nicht ins Turnier.

Organisieren und fechten

Dass diese Meisterschaft in Buchholz stattfindet, liegt auch an Kathrin Müller. Die Leiterin der Fechtabteilung beim austragenden Verein gehört zu den Ehrenamtlichen, ohne die eine solche Veranstaltung nicht stattfinden könnte. „Geh du bitte zum Grill“, ruft sie einem anderen Ehrenamtlichen zu. Andere sitzen am Eingang, passen dort auf die Unikate dieser Sportart auf, die Fechtpässe. Darin lässt sich die sportliche Reise der Athlet:innen ablesen – sportlich und geografisch.

Der Weg von Kathrin Müller zum Fechtsport war ein besonderer. Ihr Mann hatte schon als Jugendlicher gefochten. Als er nun viele Jahre später das Hobby wieder aufnehmen wollte, begleitete ihn seine Frau – und machte bald selbst mit.

Behält den Überblick: Kathrin Müller (rechts im Bild) ist die Hauptorganisatorin der 50. Deutschen Veteranen-Fecht-Meisterschaft.

Zweimal in der Woche steht das Training an beim TSV Buchholz, mittwochs für die Kinder und am Samstag dürfen alle gemeinsam fechten. „Das ist eine ganz besondere Atmosphäre“, sagt Müller.

Am Sonntagnachmittag geht die Veranstaltung in den Endspurt auch für Organisatorin Kathrin Müller. Die nimmt dann selbst den Degen in die Hand. „Nur aus Spaß, ohne große Ambition“, sagt sie vor ihrem ersten Kampf. Die Organisation hat ihr einiges abverlangt: der Wettkampf, die Feier am Samstagabend in den Räumen des TSV Buchholz … Jetzt kann sie befreit dem Sport nachgehen, den sie erst spät kennengelernt hat – und seitdem so liebt. Am Ende steht sie nicht auf dem Siegerpodest, aber lächelt trotzdem. Wie eigentlich alle hier an diesem besonderen Wochenende in Buchholz.◼